Die magische Grenze war mein 30. Geburtstag – danach ging es körperlich bergab. Ich konnte es selbst gar nicht glauben, denn davor habe ich viele komische Sprüche zum Älterwerden gehört. Ich musste über solche Aussagen nur schmunzeln – bis plötzlich mein persönlicher Wecker klingelte. Mein Geburtstag lag nun wenige Woche zurück und ein Silberstreifen durchzog mein Haar, ich bekam solche Rückenschmerzen und Verdauungsprobleme . Ich war oft gestresst und wollte es immer “Allen” Recht machen. Am Rande des Fußballpatzes unseres Dorfvereins erlebte ich Woche für Woche emotionale Höhen und Tiefen. Ich fieberte 90 Minuten mit und konnte nicht mal sonntags abschalten.

Als ein Bandscheinbenvorfall und ein Darmpilz diagnostiziert wurde war ich außer mir. Ich konnte keinen Kilometer mehr am Stück laufen ohne Angst, dass mein Ischias mich ausnockte und auf der Arbeit wurde ich mehrmals zum Betriebsarzt gefahren, der mir Kortison spritzen musste.

Das Alles fand ich mehr als deprimierend.

Es begann mit einem Flyer

Meiner Mama viel ein Flyer in die Hand in der es um einen Workshop “Tage des Herzens und Heilung” ging. Es war ein Workshop mit Yoga und Meditation der in einem Hotel stattfand. Irgendwie hab ich mich auf dieses Experiment eingelassen mit der Aussicht auf gutes Essen und Wellness.

Als wir nach unserer Ankuft beim Abendessen saßen, kam eine engelsgleiches Wesen mit wallendem Haar, im Hippikleid mit vielen bunten Malas (wie ich jetzt weiß Gebetsketten) an unseren Tisch und begrüßte uns mit einer Umarmung. Ich war mit der Situation restlos überfordert und wollte nur weg – aber der Urlaub war gebucht.

Meine erste Yoga-Stunde

Am nächsten Morgen betrat ich mit gemischten Gefühlen den Yogaraum. Auf dem Boden lagen Yogamatten und Sitzkissen. Im Hintergrund lief sanfte Musik und der Duft von Räucherstäbchen durchzog den Raum. Im vorderen Bereich war ein Altar mit einer Buddhafigur und brennenden Kerzen aufgebaut.

Wir begannen mit einer Anfangsentspannug um uns auf den Tag einzustimmen. Das war gar nicht so leicht – denn dauerend kamen Zweifel hoch – ein Film reihte sich an den nächsten. Wir praktizierten Asanas ( Körperübungen) um den Körper wieder besser wahrnehmen zu können. Manches davon viel mir sehr leicht – andere Übungen waren nur anstrengend.

Auf was ich mich aber permanent verlassen konnte war mein Ego!!

Dauernd bekam ich ungefragt Kommentare. Die Übung ist zu einfach… die zu schwer… das zu langweilig… jenes zu anstrengend… was soll das den überhaut bringen uvm. Meinem Verstand viel immer etwas Neues ein, warum Yoga nichts für mich ist.

Es folgte eine Endentspannung, um uns auf den Tag zu fokussieren. Die Yogalehrerin sprach dauernd von Liebe und Licht – und der Verbindung zum Göttlichen. Das alles war mehr als eigenartig für mich. Wir trafen uns zur nächsten Yogaeinheit am Nachmittag. Unsere Gruppe war sehr klein. Wir waren nur 6 Teilnehmer und bei der Vorstellungsrunde erzählte jeder kurz warum er hier ist. Wir praktizierten erneut auf der Matte und ich hatte den ersten Kontakt mit Meditation. Ich war sehr dankbar das wir auch liegen durften denn zum damaligen Zeitpunkt wäre ich gar nicht in der Lage gewesen 5 Minuten am Stück aufrecht zu sitzen.

Tränen rollten

Ich befand mich die folgenden Tage im Wechselbad der Gefühle. Vieles was Karina sprach, verstand ich nicht, vieles wollte ich auch einfach nicht verstehen. Es war ein harter Weg Vorurteile abzubauen, aufzuhören anderen die Schuld für Dinge zu geben und wieder Verantwortung für sich und seinen Körper zu übernehmen. An einem Nachmittag habe ich stundenlang geweint. Ich wollte einfach wieder schmerzfrei werden. Das letzte halbe Jahr hatte ich keine Nacht mehr durchgeschlafen und die andauernden Schmerzen spiegelten sich in meinem Gemütszustand. Sobald mich einer schräg anschaute liefen die Tränen… und andauerend hatte ich Schmerzen. Ich war an dem Punkt wo ich so nicht mehr weiterleben wollte. Also war mir sonnenklar, das ich etwas in meinem Leben ändern muss.

Die Woche neigte sich dem Ende und ich fing an mich mit dem Thema Yoga auseinanderzusetzen und fand bei meiner Recherche spannenede, beunruhigende und aberwitzige Aussagen über Yogis.

Können Yogis wirklich fliegen?

Ich fand Berichte von Yogis aus Tibet mit übersinnlichen Kräften. Sie konnten wochenlang ohne feste Nahrung überleben, waren resistent gegen Hitze und Kälte und Mythen sprachen sogar von fliegende Yogis. Ich wurde auch viel mit Aussagen und Vorstellungen konfrontiert wie Yogis sei<kön sollten: Viele sahen Yogis als verrückte Spinner, die mit einem Dauergrinzen durch die Gegend laufen und andere Menschen bekehren wollen. Man erwartet von Yogis das sie mit Öko-Tretern und Strickpullis rumlaufen und vegan oder mindestenes vegetarisch leben. Andere denken das Yoga was für Warmduscher oder Menschen ist, die spritiuellen Hoskospokus lieben. In Fitness-Studios wurde Yoga als Zaubermittel angeboten um schlank und fit zu werden. Oft wurde auch suggeriert das Leute die Yoga machen wollen halbe Zirkusakrobaten und super beweglich sein müssen.

Das alles ist für mich absoluter Quatsch!! Meiner Meinung nach hat das alles recht wenig mit Yoga zu tun so wie ich es praktizieren wollte. Ich sah im Yoga eine Möglichkeit meinen Körper wieder langsam zu stärken. Ich konnte die Intensität selbst so wählen wie es für mich gut war und ich muss sagen an manchen Tagen hatte ich starke Schmerzen und mußte meine Grenzen respektieren. Beim Schulterstand schmerzte der Nacken, ich war steif und unbeweglich und eine aufrechte Körperhaltung war für mich durchaus fordernd. Aber ich hielt durch, denn die Entspannungsphasen halfen mir Stress abzubauen . Nach und nach veränderte sich meine Körper- und Geisteshaltung.

Ich war total überrascht wieviel unterschiedliche Yogarichtungen es gab und erstaunt wie wenig Yoga im Raum Marktheidenfeld angeboten wurde. Dies machte es mir nicht unbedingt leichter einen passenden Lehrer zu finden. Aber ich hatte Glück und Tanja begleitete mich einen großen Teil meines Yoga-Weges.

10 Jahre später…

Das Ganze ist jetzt fast 10 Jahre her. Ich habe in dieser Zeit viele wundervolle Lehrer kennengelernt. Zwei Yogalehrereausbildungen und mehrere Workshops liegen nun hinter mir. Ricky und ich haben einige Yoga-Festivals unsicher gemacht und durften auf dem Weg viele Yogastile kennenlernen. Vieles davon hat mein Leben bereichert und fließt in meine eigene Yogapraxis und in meine Yogastunden ein.

Fliegen wie die alten Meister kann ich zwar immer noch nicht, aber durch Yoga wurde mein Leben schwereloser und leichter.

Namaste

Isi

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